Türkei zur EU beigetreten

0
70

Nein, ganz soweit ist es noch nicht, doch könnte dies die Schlagzeile in 10-15 Jahren sein, wenn im Dezember 2004 die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verkündet wird.

Die Türkei, seit 1923 eine laizistische Republik, strebt seit den 60er Jahren den Beitritt zur Europäischen Union (voher EWG) an. Seit dieser Zeit sind viele Reformen in der Türkei durchgesetzt worden und seit dieser Zeit gibt es wohl keinen deutschen Bundeskanzler, der den Türken nicht versprochen hätte, daß sie in die EU aufgenommen werden sollen. Insofern gibt es einen historisch begründeten Anspruch der Türkei auf die Mitgliedschaft. Dieser wurde seit 1993 an die Erfüllung der sog. „Kopenhagener Kriterien“ geknüpft. Der Europäische Rat stellte in Helsinki 1999 fest, daß die Kriterien von der Türkei erfüllt werden. 2002 entschied der Europäische Rat, daß auf Grundlage eines Berichts und einer Empfehlung der Europäischen Kommission Ende 2004 die Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden (ohne Verzug).

Aufgrund der umfassenden Reformen, zieht heute niemand ernsthaft in Zweifel, daß die Türkei große Fortschritte auf dem Weg zu einem demokratischen und rechtsstaatlichen Land erzielt hat. Es gibt jedoch etliche Problemfelder, die einer genaueren Betrachtung bedürfen. Exemplarisch möchte ich auf drei Probleme eingehen, die mir besonders wichtig erscheinen.

  • Der Kurdenkonflikt und das Zypernproblem
    Die kurdische Minderheit in der Türkei wird mit militärischen Mitteln seit vielen Jahrzehnten unterdrückt und vertrieben. Aufsehen erregte z.B. die Tatsache, daß Deutsche Panzer für die „Befriedung“ kurdischer Gebiete eingesetzt wurden. Von einem friedlichen Miteinander zwischen Türken und Kurden kann bis heute nicht gesprochen werden. Noch bis vor Kurzem betrieb die Türkei eine Assimilierungspolitik gegenüber der kurdischen Minderheit. Ein weiterer Brennpunkt ist Zypern. Auch dort schwelt ein ethnischer Konflikt, diesmal zwischen Türken und Griechen. Auch hier ist keine politische Lösung in Sicht.
  • Mittelalterliches Frauenbild
    Türkische Frauen und Mädchen, ob sie nun in der Türkei oder in der Bundesrepublik leben, werden nach wie vor gegen ihren Willen von ihren Eltern verheiratet. Soziale Tragödien sind vorprogrammiert. Vieles ist mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar. Der Wert von Frauen in der türkischen Gesellschaft läßt insbesondere in den ländlichen Regionen zu Wünschen übrig.
  • Integrationsfähigkeit der EU ist begrenzt
    Die am 1. Mai 2004 vollzogene EU-Osterweiterung ist erst der Anfang einer weiteren Erweiterungswelle, die 2007 vor uns liegt. Dann nämlich sollen auch Bulgarien und Rumänien der EU beitreten, insofern sie bis dahin die Kopenhagener Kriterien erfüllt haben. In den nächsten 10-20 Jahren wird Europa also einiges an Wirtschaftskraft und ideellem Verständnis abverlangt. Viele der 2004 beigetretenen Staaten sind noch lange nicht auf dem Niveau der restlichen EU-Staaten. Auch die Menschen in den jeweiligen Staaten sind noch lange nicht im gemeinsamen Europa angekommen. Allein ein Staatengefüge kann nicht Europa ausmachen. Es sind vor allem die Menschen, die zusammenwachsen müssen. Durch die unseelige Debatte um die Europäische Verfassung wird jedoch klar, daß dies noch ein langer Weg ist. An der EU-Osterweiterung wird sich die Integrationsleistung Europas messen lassen müssen. Wie lange solche Prozesse dauern können, hat nicht zuletzt die Innerdeutsche Einheit gezeigt – sie ist bis heute nicht abgeschlossen. Sind wir nicht schon an den Grenzen unserer Leistungsfähigkeit angekommen?

Dies sind nur 3 von vielen Problemfeldern, die die Türkei und wir werden lösen müssen. Sind die Verhandlung erstmal in Gang gebracht, gibt es kein zurück mehr, dann wird die Türkei Vollmitglied der EU. Und die Europäer werden zukünftig direkte Grenzen zu Iran, Irak, Syrien, Armenien und Georgien haben.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein